Gero, danke, dass Du heute Zeit hast.
Danke für die Einladung!
Erste Frage zum Warmwerden: Du hast ein ganzes Buch übers Texten im Web geschrieben. Was ist einfacher: texten fürs Web oder texten für "fürs Web texten"? Was ist Dir leichter gefallen?
Das ist eindeutig: Mir fällt fürs Web texten wesentlich leichter als ein Buch zu schreiben. Und das liegt nicht an der Länge eines Buches!
Als ich das erste Exemplar meines neuen Buches bekam und es aufschlug, fiel quasi mein erster Blick auf einen Rechtschreibfehler. Der ist sowohl mir, dem Fachlektor als auch dem Korrektorat im Verlag entgangen. Ärgerlich! Und ich stoße mich jetzt an Formulierungen, die ich bei Abgabe des Manuskripts noch sehr gut fand, die ich aber jetzt lieber anders verfasst hätte. Und dann kam auch noch kurz nach Drucklegung die künstliche Intelligenz "ChatGPT" heraus – die fehlt also völlig im Buch, und das ist echt schade.
Würde dieses Buch ein Text im Web sein, könnte ich seine Inhalte jederzeit korrigieren, umformulieren, ergänzen, erweitern oder kürzen.
Aber der Text ist nun einmal ein gedrucktes Buch. Das kann ich bis zu einer Neuauflage einfach nicht mehr ändern.
Worin liegt der wesentliche Unterschied, oder besser gesagt: Was macht das Texten fürs Web zur Herausforderung? Was ist anders als bei herkömmlichen Texten?
Eigentlich gibt es nur technische Unterschiede.
Bei einem Druckwerk musst du vorab alles bedenken und nahe an einen perfekten Text kommen. Denn wenn er gedruckt ist, ist er gedruckt.
Das musst du bei einem Text im Web nicht beachten, eben weil du die Möglichkeit hast, ihn nachträglich zu ändern. Du kannst sogar testen, welche Überschrift, welche Einleitung, welche Version eines Textes besser bei deinem Publikum funktioniert, um den Text immer weiter zu optimieren.
Dass du immer alles ändern kannst, eröffnet aber ein anderes Problem:
Die Texte deiner Website wirken immer so frisch und modern wie die Website selbst. Stell dir vor, du hättest das Webdesign vor ein paar Monaten aktualisiert – alles sieht zeitgemäß, brandneu und frisch aus. Möglicherweise glaubt dein Publikum jetzt, aktuelle Informationen auf deiner Website zu finden, obwohl einzelne Texte 15 Jahre alt und hoffnungslos überholt sind. Du musst also dafür sorgen, dass du zumindest deine wichtigsten Texte in regelmäßigen Zyklen überarbeitest.
Eine andere Herausforderung, die du bei einem Web-Text hast, ist die Suchmaschinenoptimierung. Du musst also nicht nur Autor sein, sondern auch noch ein paar Grundlagen aus diesem Bereich kennen. Du kannst vielleicht den schönsten Text der Welt geschrieben haben, aber ohne SEO sieht ihn einfach kaum jemand.
Im Moment reicht auch das einigermaßen einfache SEO noch, das wir heute nutzen, aber künftig werden wir wohl ganz anders arbeiten müssen – die großen Suchmaschinen implementieren gerade künstlichen Intelligenzen in ihre Systeme, und noch weiß niemand, wie das die Suche im Internet verändern wird.
Worauf muss ich besonders achten, wenn ich einen Text erstelle, der im Netz veröffentlicht werden soll?
Das ist pauschal sehr schwer zu beantworten.
Wenn du aus reinem Spaß an der Freud‘ Texte schreibst, sagen wir ein Online-Tagebuch, dann musst du eigentlich auf gar nichts achten. Denn du verfolgst damit ja keinen wirtschaftlichen Zweck.
Anders sieht das aus, wenn der Text eine wirtschaftliche Relevanz für dich hat. Dann ist es vermutlich wichtig, dass Google, Bing & Co. ihn finden und ranken können. Das heißt, dass du deinen Text für diese Suchmaschinen optimieren musst.
Aber wie gesagt – pauschal ganz schwer, es kommt wirklich auf den Sinn und Zweck des Textes und auf sein Publikum an.
Gibt es aus Deiner Sicht auch Unterschiede bei den Texten für Social Media und beispielsweise Websites?
Ja, na klar! Auf Social Media ist die Aufmerksamkeitsspanne der User extrem gering. Denn der nächste Post könnte schon spannender sein als deiner. Sprich: Du musst dich knapp halten und schon deine ersten Worte müssen knallen. Du hast keine Zeit für einen langsamen Start. Außerdem ist hier das benutzte Bild- und Videomaterial erheblich wichtiger als auf einer Websites.
Der größte Unterschied ist aber das technische Zeichenlimit.
Bei LinkedIn zum Beispiel kannst du bloß 3.000 Zeichen in einen Beitrag schreiben. Instagram bietet dir sogar noch weniger für seine Bildunterschriften an, nämlich nur 2.200 Zeichen.
Bei Twitter waren es mal 140 Zeichen, dann wurden es 280 Zeichen, und aktuell experimentiert die Plattform mit 4.000 Zeichen. Damit wäre Twitter dann definitiv kein Kurznachrichtendienst mehr.
YouTube kann in seinen Beschreibungen maximal 5.000 Zeichen fassen.
Einzig und allein Facebook erlaubt es dir, wirklich lange Texte zu veröffentlichen – bis zu 63.206 Zeichen sind möglich. Das entspricht etwa 25 Seiten eines "...für Dummies"-Buches.
Auf Websites dagegen kann dein Text beliebig lang sein. Und wenn der Text zu seinem Publikum passt, dann wird er auch in voller Gänze gelesen – denn dein Publikum interessiert sich ja genau dafür.
Auf welchem Kanal schreibe ich für welche Zielgruppe?
Die Wahl deiner Social-Media-Kanäle kommt nicht nur auf die Zielgruppe an. Es kommt auch darauf an, was für ein Ziel du verfolgst, welche Maßnahmen du ergreifen möchtest, um dein Ziel zu erfüllen, welche Ressourcen du dafür benötigst und welche dir überhaupt zur Verfügung stehen. Erst danach schauen wir strategisch nach den Kanälen.
Wie genau du zu deiner Plattform-Wahl kommst, beschreibe ich übrigens ausführlich in meinem Buch "Social-Media-Marketing", das auch in der "...für Dummies"-Reihe erschienen ist.
Wie lang dürfen die Texte in der Regel sein?
Du schreibst ja typischerweise Texte fürs Web, um das Problem eines Menschen zu lösen. Also löse dessen Problem!
Wenn das in einem Satz geht – dann schreib einen Satz.
Wenn ein Absatz reicht – schreib einen Absatz.
Wenn du ausführlich erläutern musst – dann tu das.
Du kannst deine Problemlösung natürlich auch in ein unterhaltsames Kleid verpacken, so dass der Mensch dann länger auf deiner Website ist – einfach, weil er Spaß daran findet, deinen Text zu lesen. Um so etwas bemühe ich mich. Die Texte auf meinem Blog sind sehr lang – häufig mehr als 20.000 Zeichen. Und dennoch werden sie bis zum Ende gelesen. (Ja, das lässt sich messen, sofern den Cookies zugestimmt wird.)
Auch bei Texten im Web sitzt man manchmal vor dem leeren Blatt und weiß sich nicht anzufangen. Hast Du einen Tipp für uns, wie Du auf Themen kommst und den roten Faden findest?
Klar. Ich habe mit meinen Kunden schon so viele Themenworkshops gemacht, dass ich selbst schon lange keine Probleme mehr mit fehlenden Themen habe.
Der erste Schritt ist, dass du wissen musst, was dein:e Leser:in ganz konkret braucht. Was ist also das ganz konkrete Problem, das du ganz konkret lösen kannst?
Mit dieser Frage kommst du meist schon zu einem guten Ansatz.
Sagen wir, jemand hat das Problem, dass ihm der Salat in seinem Gemüsebeet von Nacktschnecken weggefressen wird. Und du hast die Lösung für das Problem, weil du Schneckenkragen verkaufst. (Ein Schneckenkragen ist ein Ring aus Plastik oder Metall, der einen scharfen Knick nach außen aufweist. Den steckst du um die Salatpflanze herum. Eine Schnecke kann zwar außen am Ring hochkriechen, sie schafft aber den Knick nicht. Dein Salat ist also geschützt.)
Im nächsten Schritt fragst du dich, was diese Person wohl googeln wird, um ihr Problem zu lösen. Vermutlich sowas wie "Was hilft gegen Nacktschnecken?"
Also schreibst du nun einen Text, der diese Frage beantwortet und dein Produkt "Schneckenring" als eine der möglichen Lösungen vorstellt. Und um einen Roten Faden zu gewährleisten, legst du anfangs eine vernünftige Gliederung an, an die du dich hältst.
Und wie löst Du die berühmte Schreibblockade?
Ja, die ereilt mich ab und zu auch einmal. Im Buch gibt es ein ganzes Kapitel mit insgesamt zehn Tipps gegen die Schreibblockade. Der Trick, den ich am häufigsten benutze, ist der "Lückenfüller-Trick". Dabei lege ich zunächst einmal die Struktur des Textes fest, zum Beispiel:
Überschrift, Einleitung, Hauptteil, 3 Zwischenüberschriften und Fazit.
Jetzt trage ich einzelne Ideen oder bekannte Informationen in diese Lücken ein und beginne dann Stück für Stück damit, die einzelnen Punkte auszuformulieren. Das ist übrigens auch eine hervorragende Möglichkeit, um deinen Text zu gliedern und den Roten Faden zu sichern.
Zum Schluss noch ein Thema, dass sehr die Gemüter erregt – genderneutrale Sprache. Einige befürworten es, die anderen lehnen es genauso vehement ab. Wie gehst Du als Profi damit um? Und hast Du auch dafür einen Rat?
Stell dir vor, du gehst zur Einschulung deines Kindes. Vorne beginnt der Schulleiter mit seiner Rede und begrüßt alle Anwesenden mit "Sehr geehrte Herren" – obwohl mehr als die Hälfte im Publikum Frauen sind. Das geht nicht. Und das haben wir schon vor langer Zeit gelernt.
"Sehr geehrte Damen und Herren" ist eine gegenderte Ansprache. Wenn du dann auch noch "Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Anwesende" sagst, dann genderst du sogar non-binär. Wir gendern seit eh und je, aber kaum jemandem ist das bewusst. Niemandem ist dabei jemals ein Zacken aus der Krone gebrochen.
Und niemandem bricht ein Zacken aus der Krone, wenn er – oder sie – auch in anderen Zusammenhängen gendert.
Gendern ist eine Frage der Höflichkeit, eine Frage des Anstands und des Respekts vor einem Geschlecht, das wegen eines biologischen Zufalls anders ist als meines.
Darum gendere ich – zumindest bemühe ich mich darum. Ich versuche, einen Glottisschlag zu nutzen, also zum Beispiel "Leser:in" oder "Kund:in" zu sagen. Das ist derselbe Laut wie in "Spiegel:ei". Wer Spiegel-ei sagen kann, kann auch Kund-in sagen. Ist bloß eine Gewöhnungsfrage.
Allerdings bin ich mittlerweile älter als 50, und mir fällt es zugegebenermaßen schwer, mich in meiner gesprochenen Alltagssprache umzugewöhnen. Meistens greife ich dann doch eher auf Formulierungen wie "Leserinnen und Leser" oder komplett neutrale Begriffe wie "Menschen" oder "Leute" oder "Publikum" zurück.
Schriftlich fällt mir das viel leichter. Im Buch haben wir uns für ein ziemlich gewagtes Gendern entschieden, nämlich für das konsequente Abwechseln der männlichen und weiblichen Form. Bin gespannt, wie das ankommt.
Klar: Gendern ist manchmal umständlich. Manchmal ist gendern auch sprachlich unschön. Aber wir werden uns als Gesellschaft ebenso daran gewöhnen, wie wir uns an die "Damen und Herren" gewöhnt haben.
Vielen Dank, dass Du Zeit für uns hattest!
Danke für deine Fragen, Kai!